Montag, 13. September 2010

Durch das Portal

Ich habe keine Ahnung wo ich bin. Habe ich das Portal schon überwunden?
Nein, nicht wirklich. Ich habe eher das Gefühl, dass dies ein Traum ist. Wenn ja, dann ist es auf jeden Fall einer der Besseren die ich in meinem Leben bisher hatte. Und an die ich mich erinnern kann.
Ich bin unterwegs in einem wunderschönen friedlichen Wäldchen. ja hier ist die Welt noch in Ordnung, die Vögel sind am singen und die Blumen blühen. Ja, ich habe fast das Gefühl das ich schwebe so fantastisch sind die Eindrücke.
Ich wandere weiter und der Wald lichtet sich langsam ein wenig. Ich erkenne wie sich vor mir eine Lichtung auftut. Und abgesehen von den Singvögeln bin ich nicht mehr allein. Eine kleine Gesellschaft hat es sich auf dieser Lichtung gemütlich gemacht. Es wird gesungen und gelacht. Getanzt und gescherzt.
Bei genauerem Hinsehen kommt mir der ein oder andere hier sehr bekannt vor. Oh ja. Das sind alles alte Bekannte. Verwandte. Freunde. Vergessene. So lange nicht gesehen. Einige schon tot. Andere verloren.
Ich nähere mich und werde warm und herzlich empfangen. Es ist, als würde ich nach Jahren wieder Nachhause kommen. Alles ist gut.
Doch Moment...Irgendetwas stimmt nicht. Es sind alle da. Meine alte Mutter, die mir vorm Einschlafen immer die Abenteuer vom alten Zhirgot, dem berühmten Halbelfen, erzählt hat. Mein alter Freund Jhelf. Jhelf. Wir waren schon immer die dicksten Freunde. Noch bevor wir in die Schule kamen. Was haben wir damals für Dummheiten im Kopf gehabt. Immer wieder neue Streiche auszuhecken. Keine Auseinandersetzung in der wir zwei nicht unsere Finger im Spiel hatten. Mann, was hat er mir den Hintern gerettet, als ich einmal ganz allein an einen ausgerissenen Warg geraten bin. Was für Zeiten...
Alle sind da. Aber irgendjemand fehlt. Ich gehe sie alle durch. Und merke, dass ich Recht habe. Es sind alle da, nur meine Schwester Lharai, die, mit der ich am meisten durchgestanden habe, die mir immer am nahesten stand. Sie ist nicht unter den Feiernden. Wie kann das sein? Hat mein Unterbewusstsein irgendetwas übersehen?
Mein Onkel Frogdar kommt auf mich zu und bittet mich, die Suppe über dem Feuer zu rühren, damit sie nicht anbrenne.
Ich öffne den Topf und der Inhalt ist schon leicht am köcheln. Es duftet wie ein altes Rezept meiner Mutter. Ihre gute alte Rhabeisuppe. Wie lange ist das her, dass mir dieser Duft in die Nase stieg?
Ich rühre den Inhalt des Topfes um und das Aroma des Rhabeis kann sich so noch mehr entfalten. Das wird schmecken.
Ups, da unten im Topf scheint aber jemand einen Rhabei nicht ganz ordentlich zerteilt zu haben. Ich hantiere ein paar Sekunden mit der Kelle herum bis ich das Biest zu packen kriege und hebe es aus der Flüssigkeit heraus...
Doch was ich dann sehe lässt mich schreien... Jetzt weiss ich wo meine Schwester die ganze Zeit war. Ich blicke ich in die toten Augen von Lharai.
Jetzt merke ich, dass es um mich herum still geworden ist. Das lustige Treiben ist verstummt. Das Tanzen hat aufgehört.
Ich blicke auf und werde gewahr, dass ich von allen um mich herum hasserfüllt angestarrt werde. Es vergehen einige Sekunden bis sie mit grauenhaften Stimmen wie aus einem Munde zu mir sagen: "DU BIST SCHULD!"
Immer und immer wieder. Ich blicke wieder in den Topf und auch Lharai sagt immer wieder "DU BIST SCHULD!"
Diese Worte dröhnen in meinem Kopf.
Ich lasse die Kelle mitsamt des Kopfes in den Topf zurückfallen und fange an zu schreien. Ich schreie, wie ich in meinem Leben noch nie geschrien habe. Ich kneife die Augen zusammen und falle auf die Knie. Kauere mich zusammen.
Plötzlich ist alles wieder still.
Ich öffne langsam die Augen und der Wald ist verschwunden. Ich liege mitten in einer Wüste. Die Sonne brennt mir in den Augen und auf der Haut.
Ich bin ganz allein.

Ich stehe auf. Sehe mich um. Am Horizont kann ich so etwas wie eine kleine Staubwolke erblicken. Sie kommt näher. Direkt auf mich zu.
Panisch schaue ich mich um. Von der gegenüberliegenden Seite ein ähnliches Bild.
Immer näher.
Jetzt wird mir etwas bewusst...
Ich stehe ganau an dem Punkt an dem die beiden Staubwolken aufeinandertreffen.
Noch 200 Meter.
Ich laufe los. Schneller und immer schneller. Doch ich komme nicht vom Fleck. Die Wolken kommen näher.
Langsam aber sicher kann ich Einzelheiten erkennen. Es scheint sich um zwei Armeen zu handeln, die genau hier aufeinandertreffen werden.
Noch 100 Meter.
Ich taste mich ab. Keine Waffen. Keine Rüstung.
Noch 50 Meter.
Aber es ist ja nur ein Traum, oder? Da kann mir ja nichts passieren.
30
Doch wenn es ein Traum ist, warum bin ich dann nicht schon vorhin aufgewacht? Im Wald? Ein Albtraum endet doch immer an der schlimmsten Stelle. Doch ist das hier wirklich ein Traum?
20
Ich sehe bis an die Zähne bewaffnete Krieger, die es unter ihrem Gebrüll gar nicht abwarten können auf die gegner zu treffen und in Stücke gehauen zu werden. Oder bin ich das Ziel?
10
Ich falle auf die Knie. Schliesse meine Augen. Wie gerne wäre ich jetzt wieder in dem Wäldchen, bei meinen Freunden und Verwandten. In der Zeit vor dem Kochtopf.
5
Ich falte meine Hände zum Gebet. Auch wenn es mir immer schwer fiel an einen bestimmten Gott zu glauben, so ist dies wohl der richtige und wohl auch letzte Moment, wo ich damit anfangen sollte.
...
Um mich herum ertönt ein Ohrenbetäubender Lärm. Schlachtenlärm.
Und ich warte nur darauf, dass mich ein Hieb erwischt und niederstreckt. Mich in meine Einzelteile zerlegt...und ich vielleicht endlich aufwache.
Doch es passiert nichts. Ich öffne die Augen. Um mich herum tobt eine wilde Schlacht. Blut. Überall Blut. Niemand gibt auf. So viele Opfer. Nicht endend.
...
Ich stehe auf. Meine Knie schmerzen. Ich sehe mich wild um. Wo ist ein Ausweg.
Obwohl mich nicmend zu beachten scheint, habe ich Todesangst. Ich versuche mich erneut in eine Richtung zu bewegen, doch ich komme immer noch nicht vom Fleck.
...
Als ich mich so in meiner Angst umsehe, bleibt mein Blick an einem Horizont am scheinbaren Ende der Schlacht stehen. Dort, so meine ich zu sehen, dass sich eine sehr große Gestalt den Weg durch die Kriegermassen bahnt. Auf mich zu.
...
Eine gigantische schwarze Kreatur. Ohne Gesicht. Nach nur, wie es mir scheint wenigen Sekunden, steht sie fast vor mir. Eine dunkle Haube tief ins Gesicht gezogen. Wenn denn da ein Gesicht ist.
...
Er steht nun direkt vor mir und hat den Kopf gesenkt, als würde er mich anblicken. Aber ich sehe keine Augen.
Ich bin wie gelähmt.
Er streckt seine Hand aus und ergreift mich an der Schulter. Ein brennender Schmerz durchfährt mich. Tausend Messer treffen mich an der Stelle wo er mich berührt. Ich sinke wieder zu Boden.
Und Schreie...
Und schreie...
...
Dann ist es still.
Ich öffne die Augen und bin wieder allein. Ein weisser Nebel zieht auf.
Und ich höre das Singen der Vögel.
Es duftet nach feuchtem Waldboden und nach Frühlingsblumen.

Alles verschwimmt. Ich reibe mir die Augen und blicke in eine strahlende Frühlingssonne.
Ich liege auf warmem Steinboden inmitten einer bildschönen Lichtung. Ich sehe zwei Steinbrunnen. Ich habe Durst. Alles schmerzt.

Der Weg durch das Portal scheint überwunden zu sein...

1 Kommentar:

  1. Plötzlich kommt es ihr vor, als sei ihr der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Alles, was ihr bisher noch als selbstverständlich vorkam, ist nun in ein gleißendes, verschwommenes Licht gehüllt. Trotz des ungewohnten Gefühls, daß jetzt langsam auch vom Magen in ihren Verstand vorzudringen scheint, trinkt sie weiter. Es tut gut. Sie fühlt sich immer leichter. Leicht wie ein Vogel, der durch die warme Frühlingsluft empor steigt. Leicht wie eine kleine Feder, die wie spielend vom Wind umhergestossen wird. Leicht, und dabei so glücklich... - Sie muß weiter trinken. Dieses wundervoll schmeckende Wasser, das so herrlich nach frischen Lilien duftet. Mehr! Sie will immer mehr davon. Immer glücklicher werden, immer leichter. Wie kann sie nur,... wie... was... passiert mit... - Dann wird alles dunkel. Bewusstlos fällt ihr junger Körper in das sattgrüne Grass, das den Brunnen umgibt und das sich vom Morgentau noch leicht feucht und klamm anfühlt.

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